Züchter und Pferdeverkäufer können ein Lied davon singen. Die meisten Pferdekäufer wollen heutzutage ein perfektes Pferd, ohne Fehler und mit Röntgenklasse 1.
Das heißt, das Pferd soll lehrbuchgerecht gebaut sein und nicht die kleinste Abweichung von der Norm haben. Soll das zukünftige Pferd im internationalen Spitzensport Hochleistungen bringen, ist das sicherlich legitim. Aber selbst das Freizeitpferd, das höchstens mal eine A-Dressur gehen soll wird häufig schon abgelehnt, weil kleinere Abweichungen von der Norm gefunden werden. Selbst wenn die gefundenen Abweichungen von der Norm noch lange keinen Krankheitswert haben.
Immer bessere Röntgengeräte und ausführlichere Untersuchungen fördern aber natürlich immer mehr solcher „Fehler“ zu Tage.
Die Ankaufsuntersuchung
Früher war Pferdekauf eine Vertrauenssache und nur die Pferdeerfahrung des neuen Besitzers hat entschieden, ob er das Pferd richtig beurteilen kann oder nicht. Gesetzlich geregelt war nur die Rückgabe des Pferdes, wenn es einen so genannten Gewährsmangel hatte und das auch nur innerhalb von 14 Tagen.
Nachdem Pferde immer weniger Arbeitstiere und zunehmend Freizeitpartner wurden, kam zum Ende des letzten Jahrhunderts immer öfter der Tierarzt ins Spiel, wenn ein Pferd gekauft wurde. Er sollte bestätigen, dass das Pferd gesund ist. Das war dann meist eine kleine Ankaufsuntersuchung, bei der das Pferd auf akute Lahmheiten, Infektionen und grobe Fehlstellungen in untersucht wurde. Geröntgt wurde nur in Ausnahmefällen.
2002 hat sich das Pferdekaufrecht verändert. Die Gewährsmängel sind weggefallen und Pferde werden wie Gegenstände behandelt. Sie müssen den im Kaufvertrag zugesicherten Eigenschaften entsprechen. Das heißt, der Verkäufer muss nachweisen, dass das von ihm verkaufte Pferd bei der Übergabe in Ordnung war, sollte es zum Beispiel anfangen zu lahmen.
Mit dieser Entwicklung hat sich auch die Zahl der Ankaufsuntersuchungen erhöht. Mittlerweile wird bei den meisten Pferden die Verkauft werden geröntgt. Die Beine werden auf Spat und Hufrollenveränderungen hin untersucht und häufig wird auch der Rücken geröntgt, um Kissing Spines auszuschließen.
Je mehr man sucht, desto mehr Auffälligkeiten findet man natürlich. Viele Pferde die früher als top gesund galten, erhalten heute einen Dreier-TÜV und gelten damit schon als „mangelhaft“.
Ja, was heißt der Befund denn jetzt?
Wie schon erwähnt heißt Röntgenklasse 1 lehrbuchgerecht. Röntgenklasse 2 und 3 stehen für Veränderungen, die zwar von der Norm abweichen, bei denen aber Beeinträchtigungen des Pferdes unwahrscheinlich oder wenig wahrscheinlich sind. Lediglich Röntgenklasse 4 geht davon aus, dass das Pferd durch die Veränderung wohl beeinträchtigt wird. Mehr dazu findet ihr in unserem Artikel zu Ankaufsuntersuchung.
Die Gesamtnote der Röntgenbeurteilung richtet sich übrigens immer nach der schlechtesten Note. Hat nur ein Gelenk zum Beispiel die Röntgenklasse 3 , bekommt das gesamte Pferd Röntgenklasse 3.
Taucht bei der Untersuchung ein Befund auf, heißt das also noch nicht wirklich etwas. Die genauen Folgen der Veränderung kann man mit dem untersuchenden Tierarzt besprechen. Die Röntgenbilder und Ultraschallaufnahmen von der Ankaufsuntersuchung kann man sich vom Tierarzt geben lassen. So kann man die Befunde auch in Ruhe mit dem eigenen Tierarzt oder einem weiteren Spezialisten noch ein mal besprechen, falls man sich unsicher ist.
Natürlich kann man sich auch selber über eine Veränderung informieren. Es gibt eine Reihe von Seiten, die, wie wir auch, versuchen sachlich über Gesundheitsthemen zu informieren, mit allen möglichen Folgen. Hier kann man oft wertvolle Informationen finden und dem Tierarzt dann gezielte Fragen stellen.
Pferdeforen sind eine zweischneidige Sache. Hier findet man, wie in den meisten Gesundheitsforen auch, eigentlich nur die schlimmen Fälle. Wer mit einer Veränderung kein Problem hat, diskutiert auch nicht im Internet darüber. Daher ist hier meist eine Sammlung der Pechvögel zu finden, die nicht wirklich repräsentativ ist.
Selbst Befunde der Röntgenklasse 3 oder alte Verletzungen behindern die meisten Pferde in ihrem Alltag nicht. Die meisten Reiter suchen Ihr Pferd ja nicht für S-Springen, sondern um in ihrer Freizeit Spaß mit dem vierbeinigen Partner zu haben.
Lieber wissen was man hat
Mir persönlich ist es lieber, wenn der Vorbesitzer mir von den Vorerkrankungen eines Pferdes erzählt, so dass ich mich darauf einstellen kann.
Ab einem gewissen Alter hat jedes Pferd schon Krankheiten und Verletzungen gehabt. Weiß ich, was das Pferd schon hatte, kann ich darauf reagieren, zum Beispiel im Fellwechsel Schwarzkümmel zu füttern oder staubige Hallen meiden, wenn das Pferd zu Husten neigt.
Hatte das Pferd schon Sehnenprobleme, kann man so besonders auf das Aufwärmprogramm und den Boden achten.
Alles Dinge, die ein Pferd nicht wirklich einschränken, aber neuen Probleme vorbeugen.
Meine Erfahrungen dazu
Bisher hatte jedes meiner Pferde schon beim Kauf eine Macke. Winnie hatte einen Chip im Sprunggelenk, Milka einen verheilten Griffelbeinbruch und Macy einen leichten Spat im Hinterbein. Applepie hatte sogar einen Röntgenbefund Klasse 4 an der Hufrolle hinten.
Alle meine Pferde hatten im Laufe der Zeit das eine oder andere Problem, vor allem Applepie und Macy haben da ordentlich gesammelt. Allerdings war es nie die Schwachstelle, die schon beim Kauf bekannt war.
Applepie hatte zwar ein Hufrollenproblem, allerdings auf dem rechten Vorderbein, das bei der Ankaufsuntersuchung Röntgenklasse 1 hatte – die Hinterbeine mit der schlechten Röntgenklasse haben nie Probleme gemacht.
Man steckt also nie drin, was einem Pferd Probleme macht. Ich finde eine Ankaufsuntersuchung wichtig, um zu wissen, dass nichts großes im Argen liegt und damit man auf Schwachstellen eingehen kann. Das perfekte Lehrbuchpferd mit Röntgenklasse 1 brauche ich nicht, denn die können auch stolpern und sich verletzen.
Das „perfekte“ Pferd für den jeweiligen Reiter
Ich sage immer, jeder muss das Pferd finden, dem er seine Fehler verzeihen kann. Denn jedes Pferd hat eine Fehler und Macken.
Beim Reiten kommen zwei Lebewesen zusammen und da muss einfach die Chemie stimmen. Dann sind auch kleine Macken und Fehler nicht so tragisch.
Lustigerweise kommen alle, die mit einer festen Vorstellung vom Traumpferd losziehen, mit etwas ganz anderem wieder. Als ich Macy gekauft habe, war ich auf der Suche nach einem Fuchs mit vielen Abzeichen 😉
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