Richtig mit Gerte reiten

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Richtig angewandt ist die Gerte ein wichtiges Hilfsmittel in der Kommunikation mit dem Pferd.

Mit der Gerte anticken, nicht schlagen!

99,99 Prozent der Zeit ist eine Gerte ein feines Instrument, das bei der Verständigung hilft. Dazu wird das Pferd in der Regel angetickt. Unter Anticken versteht man eine kurze, schnelle Berührung mit der Gerte.

Diese kurze Berührung wirkt besser als jedes Schlagen, da sie beim Pferd einen Reflex auslöst. Das Pferd zieht seine Haut und damit die Muskulatur darunter zusammen. Diesen Reflex nutzt das Pferd auch, um lästige Insekten loszuwerden.

Man sollte Pferde nur in extremen Ausnahmesituationen schlagen, wenn es einen zum Beispiel aggressiv angreift.

Mit Anticken im richtigen Moment kann man so das Bewegungsmuster des Pferdes verändern.

Tickt man zum Beispiel die Flanke des Pferdes an, während es das Hinterbein hebt, wird das Pferd sein Bein weiter nach vorne setzen. Genau das möchte man beim Dressurreiten oft. Das Pferd tritt energischer mit dem Hinterbein unter den Bauch und entwickelt damit mehr Schub nach Vorne.

Gerte richtig halten

Eine Gerte sollte immer so gehalten werden, dass sie im Gleichgewicht ist. Die Gerte darf die Handhaltung am Zügel nicht verändern und nicht dazu führen, dass sich die Hand verkrampft.

Dazu ist zuerst einmal die richtige Gerte wichtig. Der Griff muss schmal genug sein, dass der Reiter die Hand noch gut schließen kann, aber dick genug, dass die Gerte nicht aus der Hand rutscht. Die bei vielen billigen Gerten zu findenden Griffschlaufen sind übrigens gefährlich. Im Falle eines Sturzes können sie einem den Arm verdrehen oder dazu führen, dass sich die Gerte in den Bauch rammt. Daher sollten sie immer entfernt werden. Wer ein paar mal abgestiegen ist, gewöhnt sich schnell an, die Gerte gut festzuhalten. Mehr zum Thema richtige Gerte finden sie unter: Gerte kaufen: Kaufberatung Springgerte und Dressurgerte.

Die Gerte wird in der ganzen Hand gehalten und der Griff kommt zwischen Daumen und Zeigefinger oben aus der Faust heraus. Unten umgreift der kleine Finger die Gerte.

Bei den meisten Gerten liegt der Schwerpunkt so, dass man sie am Besten am unteren Ende des Griffs greift. Ein Teil der Gerte steht also oben aus der Hand heraus.

Die Gerte so halten, dass sie nach oben herausragt.
Die Gerte so halten, dass sie nach oben herausragt.

Die Gerte sollte schräg über den Oberschenkel des Reiters laufen und in Richtung der Flanke des Pferdes zeigen. Im Normalbetrieb sind etwa 20 cm Platz zwischen Gerte und Flanke des Pferdes.

Eine Springgerte wird in der Hand genauso gehalten. Allerdings ist sie deutlich kürzer. Da die Hand des Reiters im Entlastungssitz und im Springsitz weiter vorne getragen wird, zeigt die Gerte hier in Richtung Schulter des Pferdes. Damit das klappt, muss der Reiter die Hand allerdings etwas weiter aufrichten. Auch hier sollte die Gerte im Normalfall mindestens 10 cm Luft zum Pferd haben.

Richtig mit der Gerte anticken

Beim Reiten ist das Anticken eine schnelle Drehbewegung aus dem Unterarm. Wichtig ist, dass dabei die Unterkante der Hand an ihrem Platz bleibt, da man sonst gleichzeitig am Zügel zieht und dem Pferd verwirrende Signale gibt.

Üben kann man das ganz gut am eigenen Oberschenkel. Einfach Hinstellen und die Hände in die richtige Position für die Zügelhaltung bringen. Die Gerte sollte nun über dem Oberschenkel laufen. Jetzt kann man die Handbewegung gut üben. Das Anticken sollte eine kurze, deutlich spürbare aber nicht schmerzhafte Berührung sein.

Mit dem Anticken ist es wie mit den meisten Dingen: Richtig eingesetzt ist es toll – wird es zur Dauereinrichtung, verliert es seine Wirkung.

Das Anticken mit der Gerte soll eine Verstärkung der Schenkelhilfe sein. Das heißt es ist Teil einer sich steigernden Reihe. Erst wird eine leichte Schenkelhilfe gegeben, dann eine deutliche, dann wird leicht angetickt und dann deutlicher. Diese Reihe wird bei jeder Hilfe angefangen und abgebrochen, sobald das Pferd reagiert.

Reagiert das Pferd auf die leichte Schenkelhilfe: Prima, loben, weiter machen. Muss ich erst noch leicht anticken, auch gut. Auch hier das Pferd für die richtige Reaktion loben und bei der nächsten Hilfe wieder mit einem leichten Schenkeldruck beginnen.

Wichtig ist, dass man jedes Mal so lang weitermacht, bis eine Reaktion vom Pferd kommt. Man darf sich allerdings nicht verleiten lassen, die Zwischenschritte zu überspringen, sonst hat man sehr schnell ein stumpfes Pferd, dass nur noch auf massiven Druck oder Gertenhilfen reagiert.

Geht man konsequent immer nach diesem Schema vor, bekommt man schnell ein feines Pferd, dass sich mit wenig Kraftaufwand reiten lässt. Allerdings kann das Pferd immer nur so fein sein, wie es der Reiter zulässt. Hat der Reiter zum Beispiel ein unruhiges Bein, wird es für das Pferd schwer feine Hilfen zu erkennen. Es wird schnell lernen das übliche Geklopfe vom Bein zu ignorieren und nur auf deutliche Drucksteigerungen reagieren. Gerade Schulpferde, die häufig von Anfängern geritten werden, sind da leidgeprüft. Ihnen muss man die etwas „dickere“ Haut verzeihen, die ist in den meisten Fällen ein Schutzpanzer.

Wann und warum anticken?

Wie bei allen Hilfen ist auch bei der Gerte nicht nur das Wie wichtig, sondern auch das Wann. Beim Anticken spielt auch noch das Wo eine entscheidende Rolle.

Vom Zeitpunkt her sollte die Hilfe in dem Moment kommen, in dem das Pferd dabei ist, das Bein anzuheben. In diesem Moment kann das Anspannen der Muskeln die Bewegung verändern. Ist das Bein schon wieder auf dem Weg zum Boden oder steht gerade fest auf dem Boden, läuft die Hilfe ins Leere. Erfahrene Pferde wissen oft trotzdem, was gemeint ist, aber junge Pferde werden dadurch verwirrt.

An der richtigen Stelle anticken

Je nachdem, wo ich das Pferd anticke, erziele ich einen unterschiedlichen Effekt. So kann ich mit der selben Hilfe, mehrere Bewegungsmuster beeinflussen und dem Pferd in verschiedenen Situationen genau verständlich machen, was ich von ihm möchte.

Die meiste Zeit wird das Pferd in der Dressur an der Flanke hinter dem Reiterschenkel angetickt. Dadurch zieht sich die Bauchmuskulatur zusammen und das entsprechende Hinterbein wird weiter nach vorne geschwungen. Das ergibt einen größeren Schritt vom Pferd also mehr Tempo und mehr Hinterhandaktivität.

Blau markiert ist der Bereich, in dem Sie das Pferd an der Flanke anticken können.
Blau markiert ist der Bereich, in dem Sie das Pferd an der Flanke anticken können.

Möchte man, dass das Pferd sich mehr setzt, also die Kruppe senkt, tickt man es oben an der Kruppe an. Dadurch wird das Hinterbein vermehrt angewinkelt – so kann man dem Pferd vermitteln, dass es sich stärker versammeln soll. Das wird vor allem bei den stark versammelnden Lektionen wie Passage, Piaffe und Pirouette gebraucht und erfordert einiges an Feingefühl vom Reiter.

Im blau markierten Bereich können Sie das Pferd auf der Kruppe anticken.
Im blau markierten Bereich können Sie das Pferd auf der Kruppe anticken.

Beim Springen tickt man die Pferde im Absprung am Halsansatz an. Dadurch zieht es die Vorderbeine weiter nach oben, was die entscheidenden Zentimeter bringen kann.

Die richtige Stelle, um das Pferd am Hals anzuticken.
Die richtige Stelle, um das Pferd am Hals anzuticken.

Die zweite Art, in der eine Springgerte eingesetzt wird, ist an der Schulter. Will das Pferd über die Schulter ausbrechen, zum Beispiel vor dem Sprung, tickt man das Pferd an der Schulter an. Dadurch hebt sich die Schulter und man kann das Pferd deutlich leichter in der Spur halten.

Dieses Anticken an der Schulter setzt man auch oft bei Jungpferden ein, um ihnen beizubringen, dass sie sich in der Wendung biegen sollen und nicht auf die innere Schulter fallen.

Die richtige Stelle, um das Pferd mit der Gerte an der Schulter anzuticken.
Die richtige Stelle, um das Pferd mit der Gerte an der Schulter anzuticken.

Mein Kommentar

Ich persönlich reite nicht so oft mit Gerte, weil es bei meinen Pferden eher nicht nötig ist. Bei Macy habe ich die Gerte vielleicht einmal im Monat dabei, wenn ich zum Beispiel Verstärkungen üben möchte. Ansonsten neigt Macy dazu, übereifrig zu werden, wenn ich eine Gerte dabei habe. Dann interpretiert er jede winzige Bewegung als Hilfe – oft mehr als gewünscht.

Bei Winnie übe ich gerade das Reiten mit Gerte. Das heißt, die Gerte kommt mit, wird aber nicht eingesetzt. Er wird gerne klemmig, wenn er etwas Unheimliches sieht. Da wäre eine Gerte sinnvoll, um die Vorwärtstendenz wieder zu verstärken. Allerdings ist er recht empfindlich. Am Anfang hat er bei jeder Berührung einen Satz zur Seite gemacht – mittlerweile akzeptiert er die Berührung schon ganz gut, die richtige Reaktion müssen wir aber noch verstärken.

Einen spannenden Artikel über den Sinn des Einsatzes der Gerte und triebige Pferde findet ihr hier: Hippovital: Der Sinn und Unsinn von Gerte und Sporen

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