Wenn Pferde beim Reiten giften

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Wenn das Pferd giftet, ist entspanntes Reiten kaum möglich. Der Reiter muss dann ständig auf seine Umgebung achten und die Bewegungen der anderen Reiter vorhersehen. Kommt ein anderes Pferd zu nahe, ist es vorbei mit der Konzentration und Harmonie zwischen Pferd und Reiter.

Warum giftet das Pferd andere an?

Das Angiften kann viele Ursachen haben. Angst, Unlust, Unsicherheit, Schmerzen oder Dominanzverhalten – das Ergebnis ist das Gleiche, die Therapie kann sich aber deutlich unterscheiden. Daher ist es wichtig, erst einmal herauszufinden, was zu diesem Verhalten führt.

Mit dem Giften teilt das Pferd seinen Artgenossen mit, dass sie Abstand halten sollen und den persönlichen Bereich des Pferdes respektieren sollen. In einer Herde ist es für Pferde selbstverständlich, diesen persönlichen Bereich zu respektieren. Der unterscheidet sich übrigens, je nachdem, wer das Gegenüber ist.

Reiten wir, verlangen wir von unseren Pferden, dicht nebeneinander her zu gehen oder sich mit geringem Abstand entgegenzukommen, ohne die Möglichkeit auszuweichen. Das ist für viele Pferde eine Herausforderung, was den meisten Reitern gar nicht bewusst ist.

Was also tun, damit das Pferd entspannt mit anderen zusammen geritten werden kann? Hier beschreibe ich ein paar der Ursachen und passende Lösungsansätze. Natürlich ist jedes Pferd ein Individuum und daher gibt es keine Patentlösungen. Oft hat ein solches Verhalten auch nicht nur eine Ursache, sondern es spielen mehrere Faktoren zusammen.

Pferd giftet wegen Schmerzen

Fühlt ein Pferd sich beim Reiten nicht wohl oder hat sogar Schmerzen, kann es zum sprichwörtlichen Bären mit der wunden Tatze werden.

Wer zu nahe kommt, bekommt den angestauten Frust ab. Egal wer es ist.

Dieses Verhalten zeigen eher dominantere Pferde und es hängt stark von der Gesamtsituation ab.  Zeigt das Pferd das Giften zum Beispiel nur beim Reiten und kurz danach und es wird von Ritt zu Ritt schlimmer – nach einer Reitpause bessert sich das Verhalten aber? Dann könnte zum Beispiel der Sattel drücken.

Oft sind es auch stark verspannte Pferde oder solche mit langdauernden Lahmheiten, die mit Frust reagieren.

Hier ist die Lösung naheliegend: Man muss lediglich die Ursache für den Frust oder die Schmerzen beseitigen, dann gibt sich das Verhalten auch wieder.

Daher sollte man die Ausrüstung checken oder noch besser von einem Fachmann checken lassen.

Auch gesundheitliche Probleme sollte man ausschließen – und die sind oft gar nicht so leicht zu finden. Pferde verraten einem zum Beispiel oft erst sehr spät, dass sie Zahnschmerzen haben oder dass es im Rücken zwickt.

Da es oft einfacher gesagt als getan ist mit dem Beseitigen der Schmerzursache, zum Beispiel bei einer Verletzung, kann man versuchen das Training so anzupassen, dass das Pferd insgesamt in eine entspanntere Stimmung kommt und sich in seinem Körper wohler fühlt. Mögliche Ideen sind: Freilauf vor dem Reiten, Wärmetherapie unter dem Solarium zum Aufwärmen der Muskulatur, längere Warmreitphasen am langen Zügel.

Das funktioniert meistens relativ gut. Allerdings haben Pferde ein recht gutes Gedächtnis. Es kann also sein, dass die eingeschliffenen Verhaltensweise etwas länger brauchen, um zu verschwinden und gerade in stressigen oder schwierigen Situationen wieder aufflackern.

Angst als Ursache für das Giften

Gerade unsichere und rangniedrige Pferde haben oft Angst. Sie reagieren dann nach dem Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Wird es dem Pferd zu eng oder zu laut, reagiert es mit giften. In diesem Fall tritt das Giften vor allem dann auf, wenn das Pferd zum Beispiel zwischen einem anderen Pferd und der Bande eingeengt oder wenn die Ausrüstung eines anderen Pferdes quietscht oder klappert.  Auch imposante Pferde und schnelle Pferde sind für solche Pferde oft ein Problem, vor allem wenn sie entgegen kommen.

Ein Teil des Problems ist, dass das Pferd beim Reiten nicht sein natürliches Verhalten zeigen kann. In der Herde würde ein rangniedriges Pferd ausweichen, wenn ein anderes Pferd entgegenkommt. Beim Reiten nehmen wir ihn die Chance. Ist das Pferd unsicher oder ängstlich, bedeutet das großen Stress. Dieser Stress wird dann in Aggression umgewandelt.

In diesem Fall hilft es das Selbstvertrauen und die Verbindung zum Reiter des Pferdes zu fördern. Dazu eignen sich viele kleine Situationen, die gemeinsam erfolgreich gemeistert werden.

Ich würde die angsteinflößenden Situationen am Anfang meiden und statt dessen gemeinsam gezielt am Vertrauensaufbau arbeiten, zum Beispiel mit Anti-Schreck-Training, Ausritten mit kleinen Aufgaben wie Pfützen zum durchqueren oder Ästen zum darüber steigen.

Wer sich im Sattel unsicher ist, kann das Training auch vom Boden aus beginnen. Wichtig ist, dass der Mensch ruhig und selbstsicher bleibt und dem Pferd so vermittelt, dass er die Situation im Griff hat. So kann er dem Pferd die nötige Sicherheit geben.

Klappt das gut, kann man das Training an der Problemsituation aufnehmen. Man engagiert sich andere Reiter, die nach Absprache entgegen kommen oder Überholen. Zuerst mit großem Abstand, der dann Schritt für Schritt verringert wird.

Wichtig ist dabei, dass der Reiter dem Pferd auch hier vermittelt, dass gar nichts los ist. Oft hilft es das Pferd am Anfang zum Beispiel mit Lektionen zu beschäftigen, damit es sich wirklich auf den Reiter konzentriert und nicht so sehr auf die Umgebung.

Ein ängstliches Pferd sollte man nicht bestrafen, wenn es giftet, sondern nur das Verhalten konsequent unterbinden. Hat es eine schwierige Situation gut gemeistert loben, loben, loben – ruhig überschwänglich. Das ist gut für das Selbstvertrauen des Pferdes.

Pferd giftet aus Unsicherheit

Unsicherheit ist ein Phänomen, das vor allem bei schlecht ausbalancierten Pferden auftritt. Das Pferd ist sich nicht sicher, ob es seinen Reiter unfallfrei an dem anderen Pferd vorbei bringt und möchte sich der Situation entziehen.

Dieses Problem betrifft vor allem

  • junge Pferde
  • Pferde nach einer längeren Reitpause
  • Pferde mit Rückenproblemen oder
  • Pferde die selten in der Bahn geritten werden. Die schwanken oft und brauchen eine breitere Spur

Hier hilft nur konsequentes Training, um das Gleichgewicht des Pferdes zu fördern und ihm die Chance zu geben, die nötige Kraft zu entwickeln, um den Reiter auszubalancieren. Bis das Pferd soweit ist, sollte man ihm einfach den nötigen Platz geben oder zum Schritt durchparieren, wenn es eng wird. Im Schritt ist das Pferd deutlich stabiler, weil mehr Füße gleichzeitig am Boden sind.

Eine andere Art von Unsicherheit kann bei in sich schon unsicheren Pferden auftreten. Treffen sie auf einen unsicheren Reiter oder einen Reiter, den das Pferd beschützen möchte, zum Beispiel ein Kind, kann es sich mit der Situation überfordert fühlen. Das Pferd sieht sich genötigt, auf seinen Reiter aufzupassen. Es ist aber damit überfordert, die „Gefahr“ die von den anderen Pferden ausgeht richtig einzuschätzen. Daher wird einfach mal alles bedroht – sicher ist sicher.

Dieses Verhalten verschwindet dann wieder, sobald ein sicherer Reiter im Sattel sitzt, dem das Pferd die Führung überlassen kann.

Dominanzverhalten

Sehr ranghohe Pferde neigen dazu, andere Pferde zu maßregeln. Tun sie das auch beim Reiten, läuft in der Beziehung zwischen Pferd und Reiter etwas schief.

Hier ist konsequentes Training angesagt, das dem Pferd klar macht, dass die Anweisungen des Reiters keine „Kann“- Option ist, sondern eine verbindliche Anweisung.  Das ist wichtig für die Sicherheit der Anderen und die eigene Sicherheit. Denn ein Pferd, das immer selbst entscheidet, wird sich auch in schwierigen Situationen selbst entscheiden – eventuell auch falsch. So kann das Pferd zum Beispiel einfach auf die Straße rennen, statt an der Plastiktüte vorbeizugehen.

Dieses Dominanzverhalten unter dem Sattel unterscheidet sich übrigens oft, je nach dem welcher Reiter im Sattel sitzt. Stellt ein Reiter klar, dass er dieses Verhalten nicht akzeptiert, fügt sich das Pferd meist schnell und lässt es bleiben. Das heißt aber nicht, dass es nicht beim nächsten Reiter wieder damit anfängt.

Unlust ist ebenfalls ein Grund

Die Unlust habe ich absichtlich ganz an den Schluß gestellt, da sich hier das Giften anders zeigt. Manche Pferde sind recht charakterstark und zeigen Ihre Meinung deutlich. Meist sind diese Pferde sehr „gesprächig“ – der Reiter erfährt sehr genau was das Pferd mag und was nicht. Das Pferd kann mit Gesichtsausdrücken, Lauten und Gesten das Geschehen kommentieren.

Passt solchen Pferden etwas nicht, zeigen sie das oft mit Giften. Allerdings ist das Giften meist nicht gegen andere Pferde gerichtet sondern das Pferd giftet einfach vor sich hin, um seinen Unwillen zu zeigen.

Hier hilft es meistens dem Pferd die Situation schmackhaft zu machen, oft im wahrsten Sinne des Wortes. Belohnungen, Loben und Bestätigung helfen gerade bei den charakterstarken Pferden viel, um ihnen auch schwierige Aufgaben und solche die sie nicht mögen zu verkaufen.

Pferd giftet: Weißes Pferd mit angelegten Ohren
Manche Pferde zeigen sehr deutlich, wenn ihnen etwas nicht passt – in diesem Fall die Hallenarbeit nach dem Ausreiten.

Ja und was ist nun das Problem bei meinem Pferd?

Das Problem zu beurteilen ist oft gar nicht so einfach. Der erste Schritt ist genaues Beobachten. Wann giftet das Pferd denn? Gibt es bestimmte Auslöser oder verändert sich das Verhalten je nach Reiter? Lässt sich durch bloßes Überleger kein Auslöser finden, führen Sie doch mal eine Art Tagebuch oder bitten Sie jemanden zu filmen, wenn Sie Reiten. Die geänderte Perspektive bringt oft neue Einsichten.

Kennt man das Pferd schon lange, kann man auch mal genau überlegen, wann das Giften angefangen hat. Bei einem Pferd, dass man erst kürzer Kennt, kann man zum Beispiel mal beim Vorbesitzer nachfragen, ob es da dieses Verhalten auch schon gezeigt hat.

Außenstehende sehen oft mehr. Gerade bei solchen Problemen wird man gerne betriebsblind. Reitlehrer oder Miteinsteller, die das Pferd ebenfalls kennen, können einen auf neue Denkansätze bringen.

Auch erfahrene Pferdeleute und Trainer können oft weiterhelfen. Allerdings sollte man nicht gegen sein Bauchgefühl handeln. Ein Pauschales „Knall ihm eine, wenn er giftet“ hilft selten weiter und verlagert das Problem oft nur. Die Ursache des Problems zu bekämpfen ist oft schwieriger als einfach das Symptom zu unterdrücken. Am Ende vom Tag bringt es einen aber weiter.

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