Jeder kennt das Sprichwort “Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul” – gemeint ist damit “Freu dich über das Geschenk und hinterfrage es nicht”. Allerdings: der Blick ins Maul kann viel über ein Pferd verraten. Denn die Zähne verraten nicht nur das ungefähre Alter des Pferdes, sondern auch einiges über seine Gesundheit.
Daher sollte der Pferdebesitzer und regelmäßige Reiter doch hin und wieder einen Blick ins Maul seines Pferdes werfen, nicht dass da eine unliebsame Überraschung wartet.
Aufbau des Gebisses
Ein gesundes, erwachsenes Pferd hat zwischen 36 und 44 Zähnen im Maul. Die teilen sich auf in je drei Schneidezähne (Inzisivi), drei vordere Backenzähne (Praemolare) und drei hintere Backenzähne (Molare). Zwischen den Schneidezähnen und den Backenzähnen befindet sich eine große Lücke.
Dazu kommt bei Hengsten und Wallachen meist noch je ein Hengstzahn (Caninus). Übrigens auch Stuten haben manchmal Hengstzähne und nicht jedes männliche Pferd bekommt sie. Die Hengstzähne befinden sich in der großen Lücken zwischen Schneidezähnen und Backenzähnen, liegen aber meistens so weit vorne, dass das Gebiss beim Reiten nicht daran stößt.
Manche Pferde haben zusätzlich noch ein bis vier so genannte Wolfszähne. Das sind Überbleibsel der Evolution. Die kleinen, meist recht verkümmerten, Zähnchen liegen vor den ersten Backenzähnen. Manchmal direkt am Backenzahn, manchmal aber auch weiter vorne. Sie sind nicht immer zu sehen, sondern verstecken sich manchmal unter dem Zahnfleisch.
Milchzähne und der Wechsel
Pferde entwickeln kein vollständiges Milchgebiss. Nur die drei Schneidezähne und die ersten drei Backenzähne werden als Milchzähne angelegt. Die hinteren Backenzähne und die Hengstzähne kommen direkt als bleibende Zähne.
Die inneren Schneidezähne und die ersten drei Backenzähne sind schon bei der Geburt angelegt oder brechen in den ersten beiden Lebenswochen durch. Die mittleren Schneidezähne folgen in der vierten bis sechsten Lebenswoche. Die äußeren Schneidezähne lassen sich bis zum 6.-9. Lebensmonat Zeit.
Zu diesem Zeitpunkt sind auch schon die ersten bleibenden Zähne unterwegs. Die ersten der hinteren Backenzähne wachsen direkt als bleibender Zahn in einem Alter von sechs bis zwölf Monaten. Die Nächsten der hinteren Backenzähne kommen mit etwa zwei bis zweieinhalb Jahren und die letzten der hinteren Backenzähne brechen mit dreieinhalb Jahren.
Die Milchzähne werden zwischen zweieinhalb und viereinhalb Jahren gewechselt. Den Anfang machen nach etwa zweieinhalb Jahren die mittleren Schneidezähne und die ersten der vorderen Backenzähne. Mit drei Jahren folgt der zweite Backenzahn. Etwa ein halbes Jahr später folgt der mittlere Schneidezahn. Mit vier Jahren wechselt der dritte der vordere Backenzähne und mit viereinhalb der äußere Schneidezahn.
Den Abschluss der Zahnentwicklung bildet der Hengstzahn, so er denn kommt, der sich in einem Alter von vier bis fünf Jahren zeigt. Wenn Wolfszähne angelegt sind, zeigen sie sich bereits im fünften bis sechsten Lebensmonat.
Das Problem mit den Zahnwechsel ist, dass er zeitlich mitten ins Anreiten fällt. Ist ein Zahn wackelig oder frisch ausgefallen, kann das das Pferd irritieren. Wir kennen das von uns selbst. Stört etwas im Mund, kann man kaum die Zunge davon lassen. Pferde fangen dann oft an, ständig mit der Zunge zu spielen oder vermehrt zu speicheln. Der Effekt beim Reiten ist oft eine plötzliche Mauligkeit oder sogar ein Zungenfehler. Treten also plötzlich Probleme mit der Anlehnung auf, sollte man mal ins Maul spicken und dem Pferd eventuell ein paar Tage Pause geben oder auf eine gebisslose Zäumung umstellen. Mehr dazu unter: Reiten bei Zahnwechsel und Zahnproblemen
Frisst ein Pferd während des Zahnwechsels schlecht, freut es sich übrigens über ein weiches Mash und eventuell eingeweichte Heucobs, so dass es nicht auf dem schmerzenden Zahn rumbeißen muss. Umgekehrt ist es oft ein Zeichen für einen durchbrechenden Zahn, wenn das Pferd plötzlich alles ankaut – Eltern kennen das vom zahnenden Baby. Dann werden ein dickes Tau oder ein paar ungiftige Äste zum Kauen gerne genommen.
Wie ein Pferdezahn aufgebaut ist
Man hört immer wieder, dass Pferdezähne ein Leben lang nachwachsen. Das stimmt so nicht ganz. Die Zähne werden sehr lang angelegt und werden bis zu einem Alter von 15 Jahren kontinuierlich nachgeschoben, um den Abrieb der Zähne auszugleichen. Der beträgt etwa 2 – 3 Millimeter. Die Zähne bestehen aus der sichtbaren Krone, der noch im Knochen steckenden Reservekrone, deren Länge im Alter abnimmt und der Zahnwurzel, über die die Zähne mit Blut und Nerven versorgt wird.
Der Zahn besteht aus mehreren Schichten. Von außen nach innen sind das der Zement, der Schmelz, das Zahnbein und in der Mitte die Zahnhöhle, die ihrerseits Blutgefäße und Nerven beinhaltet.
Bei jungen Pferden ist zusätzlich der Schmelzbecher sichtbar. Diese Einstülpung der Kaufläche wird auch Kunde genannt. Sie nutzt sich bis zu einem Alter von etwa sieben Jahren ab. Bis dahin sind in der Mitte der Zähne die selben drei Zahnschichten in umgekehrter Reihenfolge sichtbar.
Mit etwa acht Jahren wird das so genannte Zahnsternchen sichtbar. Dabei handelt es sich um die mit Dentin aufgefüllte Zahnhöhle.
Altersbestimmung mittels der Zähne
Wie alt ein Pferd ist, lässt sich besonders in jungen Jahren relativ genau an den Zähnen ablesen. Ein wichtiger Faktor dabei sind die Milchzähne, beziehungsweise, welche der Zähne schon gewechselt sind.
Zur Bestimmung des Alters ab 5 Jahren, wenn alle Zähne gewechselt sind, werden die unteren Schneidezähne und ihre Abnutzung herangezogen.
Der erste Faktor sind die Kunden. Im Alter von 7 Jahren sind die Kunden abgenutzt und nicht mehr als Vertiefung sichtbar. Die Schmelzreste sind jedoch noch sichtbar. Mit 12 Jahren verschwinden diese Schmelzreste in den mittleren Schneidezähnen, mit 15 Jahren sind sie dann bei allen Schneidezähnen verschwunden.
Der zweite Faktor sind die Zahnsternchen, eine dunkle gelb-braune Linie, die durch das Dentin in der Zahnhöhle entsteht. Mit acht Jahren tauchen diese Zahnsternchen bei den inneren Schneidezähnen auf. Mit neun Jahren sind sie bei den mittleren Schneidezähnen sichtbar und ab zehn Jahren sind die Zahnsternchen bei allen Scheidezähnen sichtbar.
Die Form der Zähne verrät auch etwas über das Alter. Bei jungen Pferden ist der Zahn ein flaches Oval. Mit zunehmender Abnutzung werden die Zähne tiefer und zunehmend dreieckiger. Ab etwa 10 Jahren sind die Zähne deutlich dreieckig.
Ein dritter Faktor ist die Furche oder Galvayne-Rinne. Sie erscheint im Alter zwischen neun und zehn als dunkle Linie an der Außenseite der äußeren Schneidezähne. Mit zwölf Jahren ist diese Linie etwa 1 cm lang. Mit 15 Jahren reicht Sie bis etwa zur Hälfte des Zahns. Pro Jahr werden etwa 8 mm mehr dieser Linie Sichtbar. Mit etwa 20 Jahren zieht sich die Linie den kompletten sichtbaren Zahn entlang. Der Teil des Zahns, der nun nachgeschoben wird, weist keine Furche mehr auf. Daher verschwindet die Linie von oben nach unten. Mit etwa 30 Jahren ist die Furche dann komplett verschwunden.
Der letzte Faktor ist der Winkel in dem die Schneidezähne aufeinanderstehen. Bei jungen Pferden Sind die Schneidezähne kurz und stehen sehr steil, fast senkrecht aufeinander. Je älter das Pferd wird, desto länger werden die Zähne und desto flacher wird der Winkel.
Warum Zahnpflege wichtig ist
Die Kauflächen der Backenzähne von Oberkiefer und Unterkiefer treffen nicht genau aufeinander. Der Unterkiefer ist schmaler als der Oberkiefer. Schließt das Pferd sein Maul, trifft nur etwa ein Drittel der Kaufläche aufeinander. Zusätzlich sind die Kauflächen nicht gerade, sondern von oben innen nach unten außen geneigt.
Bei den meisten Pferden ist die Abnutzung der Zähne durch die Kaubewegung nicht ganz gleichmäßig. Meist bleiben bei den unteren Zähnen Kanten an der Innenseite stehen und bei den oberen Zähne entstehen diese Kanten an der Außenseite. Diese Kanten können sehr scharf sein und zu Verletzungen an der Zunge und den Backen führen.
Gerade bei Pferden mit Vollblutanteil ist der Unterkiefer oft etwas nach hinten verlagert. Dann nutzt sich der vorderste Backenzahn am Oberkiefer nicht gleichmäßig ab und es bildet sich ein Buckel am vorderen Ende des Zahns.
Passen die Schneidezähne nicht perfekt aufeinander, bilden sich auch hier Buckel, die die Kaubewegung stören. Am häufigsten treten die am äußeren Schneidezahn im Oberkiefer auf.
Auch an den Schneidezähnen können sich übrigens scharfe Kanten bilden oder die Schneidezähne werden so lang, dass die Backenzähne nicht mehr richtig schließen.
Diese Kanten und Buckel stören das Pferd beim Kauen und machen das Fressen anstrengender und im Extremfall sogar unmöglich. Daher sollten Sie regelmäßig abgeschliffen werden, so dass das Pferd wieder gut kauen kann.
Dadurch wird nicht nur die Futterverwertung besser, sondern auch die Rittigkeit des Pferdes. Denn die Kaumuskulatur ist ein wichtiger Faktor dafür, wie das Pferd auf den Zügel reagiert. Schmerzt jede Zügelhilfe in der verspannten Kaumuskulatur, sinkt der Wille des Pferdes mitzuarbeiten.
Um zu testen, ob ein Pferd starke Haken hat, können Sie einmal versuchen den Unterkiefer bei geschlossenem Maul hin und herzuschieben. Geht das schlecht oder Sie spüren die Zähne über die Haken springen, ist es Zeit für eine Zahnbehandlung.
Allgemein sollte das Gebiss eines Pferdes mindestens einmal pro Jahr von einem Spezialisten überprüft werden. Bei Pferden mit Zahnproblemen kann das noch häufiger nötig sein. Gerade im Zahnwechsel sollte der Besitzer zusätzlich regelmäßig ins Maul schauen, ob alles in Ordnung ist.
Hinweise für ein Zahnproblem
- Es gibt ein paar Hinweise, die darauf hindeuten, dass das Pferd ein Zahnproblem hat:
- Gewichtsverlust
- Unverdaute Körner im Kot, wenn das Pferd Getreide bekommt
- Bildung von Heuknäulen beim Fressen (etwa aprikosengroße Knäule von Heu, die das Pferd beim fressen verliert)
- Futter, das beim Fressen aus dem Maul fällt
- Sehr langsames Fressen
- Schlechter Appetitt
- Schlechter Geruch aus dem Maul
- Eitriger Ausfluß aus einem Nasenloch
- Verletzungen an Zunge und Backen
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