Gebisse: Wie wirkt ein Gebiss?

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Mittlerweile gibt es eine schier unüberschaubare Vielfalt an Gebissen, die man seinem Pferd ins Maul schieben kann. Bei der Auswahl des Gebisses sollte man sich aber jeweils genau überlegen, wie das jeweilige Gebissstück wirkt.

Die erste Überlegung dazu ist erst einmal, wo Gebisstücke überhaupt wirken können:

Der für alle logische Punkt ist das Maul, genauer die Zunge und die Lagen (das sind die beiden knöchernen Äste des Unterkiefers, die mit Zahnfleisch gepolstert sind).

Hat ein Gebiss Hebel, kann es über die Backenstücke und das Genickstück des Zaumzeugs Druck auf das Genick des Pferdes ausüben.

Ebenfalls von den Hebeln des Gebisses abhängig ist der Zug auf die Maulwinkel des Pferdes, die sehr empfindlich sind.

Verfügt ein Gebiss über eine Kinnkette, wird Zug auf die Unterseite des Kiefers ausgeübt.

Das Gebiss kann nicht nur auf Zunge und Laden drücken, sondern auch auf den sehr empfindlichen Gaumen des Pferdes Druck ausüben.

Bei einigen Gebissen und Gebisskombinationen wird auch Druck auf den Nasenrücken des Pferdes ausgeübt.

Nach dem nun klar ist, wo ein Gebiss wirken kann, ist der nächste Schritt zu überlegen, welches Gebiss, wie und wo wirkt.

Gebrochen oder Stange?

Diese Entscheidung beeinflusst stark, wie das Gebiss im Maul des Pferdes wirkt.

Ziehen Sie an beiden Zügeln gleichmäßig, wirkt eine gerade Stange hauptsächlich auf die Zunge des Pferdes, also recht mild. Anders sieht das schon bei einseitigem Zug aus. Denn dabei verkantet sich die Stange im Maul. Auf der Seite des Zügelzugs drückt das Gebiss auf die Lade, auf der anderen Seite gegen den Gaumen. Das ist für das Pferd unangenehm und viele Pferde verwerfen sich dann, um den Druck auszuweichen.

Eine Zungenfreiheit bewirkt bei einem Gebiss ohne Anzüge, dass das Gebiss näher an die Laden kommt und hier schneller wirkt, macht die Wirkung des Gebisses also direkter. Gleichzeitig mildert die Zungenfreiheit allerdings die Wirkung des Verkantens ab. Oft werden auch biegsame Gummigebisse verwendet, bei denen das Verkanten ebenfalls nicht so stark auftritt.

Stangengebisse sind also nur etwas für Reiter, die schon gelernt haben, ein Pferd mit feiner Hand um Wendungen zu reiten. Sie eignen sich weniger, um ein Pferd zu stellen und zu biegen.

Einfach gebrochene Gebisse wirken bei einseitigem Zug isoliert auf die Lade, wo der Zügel angenommen wird und sind damit deutlich besser geeignet um das Pferd zu stellen und zu biegen. Nimmt der Reiter beide Zügel gleichzeitig an, klappt da Gebiss im Maul wie ein Scharnier zusammen. Neben dem Druck auf die Laden drückt sich so die Mitte des Gebisses in den Gaumen. Das ist vielen Pferden unangenehm und führt oft zum Sperren.

Dieses Problem sollen die doppeltgebrochenen Gebisse umgehen. Da hier statt einem Gelenk zwei eingebaut sind, fällt der Scharniereffekt weg und das Gebiss drückt nicht gegen den Gaumen. Stattdessen wirkt es vermehrt auf die Zunge.

Wie wirken Anzüge oder Hebel?

Ein weiterer Wirkmechanismus, auf den viele Gebisse setzen, sind Hebel. Diese Hebel gibt es in den unterschiedlichsten Formen, etwa die klassischen Anzüge an einer Kandare, zusätzliche Ringe, die an das Gebiss angeschweißt sind oder auch Schlitze in den Ringen, die den Zügel fixieren und so den Ring in einen Heben verwandeln.

Wie ein Hebel wirkt, hängt nicht nur von dessen Länge ab, sondern auch von dem Verhältnis zwischen dem Hebel unterhalb des Mundstücks und dem darüber.

Das Wirkprinzip der Hebel ist eigentlich immer, dass das Mundstück durch Zug am Zügel im Maul gedreht wird. Dadurch entsteht mehr Druck auf die Zunge und der Teil des Hebels oberhalb des Mundstückes überträgt den Zug auf das Genick des Pferdes. Durch diese Kombination geben die meisten Pferde leichter im Genick nach und gehen in einer besseren Beizäumung. Daher ist die Kandare bei Dressurreitern so beliebt.

Die Länge des unteren Anzugs bestimmt einerseits, wie stark ein Gebiss wirkt, andererseits aber auch wie direkt das Gebiss wirkt. Ein langer Anzug bewirkt beim Annehmen einen starken Zug auf Genick und Zunge, der Reiter muss den Zügel aber deutlich stärker annehmen, bis die Wirkung einsetzt. Grobe Paraden können dem Pferd mit einem solchen Gebiss erhebliche Schmerzen bereiten und es sogar ernsthaft verletzen. Dafür verzeiht das Gebiss kleine Wackler eher.

Ein kurzer unterer Anzug wirkt milder, aber deutlich schneller. Eine unruhige Hand fällt hier mehr ins Gewicht.

Die Länge des Anzugs oberhalb des Mundstücks bestimmt, wie stark das Gebiss auf das Genick und die Maulwinkel wirkt. Je länger dieser Anzug ist, desto mehr Druck kommt beim Annehmen auf das Genick. Gleichzeitig bewirken lange obere Anzüge aber auch, dass sich das Gebiss beim Annehmen der Zügel im Maul hebt und auf die Maulwinkel wirkt. Also bestimmen hauptsächlich die oberen Anzüge, wie scharf ein Gebiss wirkt.

Ein Gebiss, das zwar lange untere Anzüge hat, dafür so gut wie keine oberen, sieht zwar martialisch aus, ist für das Pferd aber nicht so schlimm. Diese Kombination sieht man zum Beispiel oft bei Westernkandaren. Hier soll das Gebiss nicht zu sensibel wirken, weil sich der Reiter ja meist auf etwas anderes konzentriert. Wenn er das Gebiss aber mal braucht, soll dieses deutlich wirken.

Im Zusammenhang mit den Hebeln, bekommt die Zungenfreiheit eine besondere Bedeutung. Da das Gebiss durch die Anzüge gedreht wird, richtet sich de Zungenfreiheit auf und drückt unter Umständen gegen den Gaumen, was das Gebiss für das Pferd sehr unangenehm macht. Besonders bei alten Gebissen und solchen die bei Arbeitspferden zum Beispiel in Südamerika eingesetzt werden sieht man oft sehr schmale und hohe Zungenfreiheiten, die die Wirkung des Gebisses verstärken sollen.

Was bewirkt eine Kinnkette?

Eine Kinnkette, wie Sie zum Beispiel bei der Dressurkandare und dem Pelham üblich ist, begrenzt die Drehung des Gebisses im Pferdemaul. Dadurch kann das Gebiss nicht so stark auf Genick und Maulwinkel wirken. Die Kinnkette lenkt den Zug stattdessen auf das Kinn und die Zunge um. Die Kinnkette macht das Gebiss also weicher, solange sie richtig verschallt ist. Ist die Kinnkette zu lang, hat sie keine Wirkung. Schlimmer ist eine zu kurze Kinnkette. Denn dann wirkt das Gebiss viel stärker auf die Zunge und diese kann gequetscht und verletzt werden. Als Faustregel gilt: Maulspalte und unterer Anzug sollen bei leicht angenommenem Zügel einen Winkel von 45 Grad bilden.

Druck auf den Nasenrücken

Der Druck auf den Nasenrücken des Pferdes ist das Prinzip, nach dem die meisten gebisslosen Zäumungen wirken. Dieses Wirkprinzip eignet sich weniger, um das Pferd zu lenken, sondern mehr, um es zu bremsen. Wie scharf eine solche Bremse wirkt, hängt davon ab, wie breit die Auflagefläche auf dem Nasenrücken ist und über welche Hebel der Zug des Zügels verstärkt wird. Es gibt Gebisse im Handel, die eine Kandare mit einer dünnen Schnur über den Nasenrücken kombinieren. Diese Kombination wirkt sehr scharf und gehört nur in die Hand von sehr guten Reitern.

Oft hängt die Wirkung eines Gebisses aber auch von der Verschnallung des Zügels ab. Reiten sie ein Pelham mit vier Zügeln, wirkt es bei Zug an den oberen Zügeln wie ein normales Gebiss. Erst der Zug an den unteren Zügeln lässt es wie eine Kandare wirken.

Gebisse lassen sich auch kombinieren, wie zum Beispiel bei der Dressurkandare. Hier sorgt die Unterlegtrense dafür, dass der Reiter das Pferd gut stellen und biegen lässt, während das Kandarengebiss für die Aufrichtung und die Beizäumung zuständig ist.

Wenn Sie auf der Suche nach dem passenden Gebiss sind, sollten Sie sich also überlegen, was Sie erreichen wollen und ein entsprechendes Gebiss auswählen: Bei der Auswahl sollten Sie aber auch auf Ihr Pferd hören. Denn nicht alle Pferde reagieren gleich auf ein bestimmtes Gebiss. Manche Pferde reagieren sehr sensibel auf Druck im Genick, andere vertragen Druck auf der Zunge überhaupt nicht. Daher ist meist ein wenig Rumprobieren notwendig, um das ideale Gebiss zu finden.

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